'Ich finde es wichtig, dass wir tibetischen Kinder unsere Sprache sprechen.
In Nepal, in Indien oder anderswo auf der Welt. Denn wenn wir aufhören unsere Sprache zu sprechen, wird es Tibetisch irgendwann einmal nicht mehr geben.'
(Phurba Dorjee, 16 Jahre)
Der Aufbau unserer Shelter108-Projekte in Indien und Nepal war stets von der Idee getragen, eine vom Untergang bedrohte Kultur zu unterstützen - soweit dies ein kleiner Verein vermag. Doch mit mittlerweile 1400 abgeschlossenen Patenschaften für Tibetische Kinder und Jugendliche und einem Gesamt-Spenden-Aufkommen von 3, 7 Mio. Euro konnten wir seit unserer Gründung 2007 doch einiges bewegen.
Und klein müssen wir ja immer beginnen bei großen Ideen.
Im Vergleich zu den tibetischen Kinderdörfern in Nordindien, die wir unterstützen - ist unser Dolpo-Hostel in Kathmandu ein kleines Projekt.
Aktuell beherbergt es 30 Kinder und Jugendliche, und unterstützt 15 Schulabgänger und Schulabgängerinnen bei ihren weiterführenden Ausbildungen.
Diese 'Überschaubarkeit' machte es mir jedoch leicht, eine wirkliche Beziehung zu unseren Schützlingen aufzubauen. Einen Einblick in ihre Gedanken, Gefühle und Visionen zu bekommen. In ihre Welt Einblick zu nehmen.
Mit dieser Projejtreise, die ich vor zwei Tagen angetreten habe, hat sich etwas Grundlegendes in meiner Wahrnehmung geändert:
Bislang waren unsere Dolpo-Kinder und Jugendlichen für mich vorwiegend 'Schützlinge' - für die ich nie müde wurde, um Spendengelder zu bitten.
Diese Spenden brauche ich zum Erhalt des Projektes jedes Jahr immer noch.
Aber in den letzten beiden Tagen kommt es mir vor, als könnten diese jungen Menschen, aber unser Hostel-Leiter und ihre Lehrer unsere westliche Welt inspirieren und beschenken. Mit ihren sozialen Kompetenzen, ihrer Lebensfreude, ihrem großen Willen zu lernen und ihrer Gabe einfach glücklich zu sein.
Speziell in Deutschland wird von großen Schwierigkeiten im Bildungs-System berichtet. Vor Großstädte und Ballungszentren sind davon betroffen.
Was ein erschöpftes und desillusioniertes Lehrerpersonal vom Deutschen Schulalltag berichtet, gibt es hier einfach nicht.
Seit 24 Jahren besuche ich tibetische Schulen und Einrichtungen. Die heitere, freundliche und auch fokussierte Stimmung hat sich bis heute nicht verändert.
Es gibt etwas grundlegend Gleichbleibendes im Leben tibetischer Exil-Kinder und speziell auch im Leben unserer Dolpo-tibetischen Kinder und Jugendlichen:
Ihre tiefe Verwurzelung und Anbindung an ihre Kultur, Religion, ihre Bräuche, ihre Sprache. Das Leben dieser Kinder und jungen Menschen ist gehalten von einer Struktur, die auch das tägliche Gebet am Morgen und am Abend miteinschließt.
Das gemeinsame halbstündige Rezitieren ihrer Heiliger Buddhistischer Texte vor dem Abendessen scheint mir in unserem Projekt hier in Kathmandu die größte Kraftquelle 'unserer' Kinder zu sein.
Es vereint sie miteinander. Es stärkt sie. Es schenkt Zuversicht. Die Weite des Kosmos und ihre göttlichen 'Ansprechpartner' empfinden diese Kinder als wohlgesonnen. Es gibt eine Zukunft, auf die sie sich freuen können.
Auch das Miteinander ist geprägt von diesem Geist. Immer wieder frage ich sie:
Gibt es Eifersucht unter Euch? Neid? Streitereien?
'Manchmal wird es etwas lauter zwischen Schülern. Aber dann setzen wir uns hin, und sprechen es aus', erzählt mir Ngodup Sangmo, unsere derzeit älteste Schülerin: 'Wir sind nicht eifersüchtig aufeinander. Jeder hat seine Talente.'
Etwas scheu sind die 'Neuen' noch, die im Sommer aus den Bergen zu uns ins Hostel herunter gekommen sind. Und so fragte ich sie heute, ob sie ihre Talente gerne entfalten und sichtbar machen wollen in dieser Welt?
Sie haben es schließlich alle bejaht.
Wir alle wollen gesehen werden, in dem was wir sind.
Und was gibt es Schöneres, als sich dabei gegenseitig zu unterstützen
Die Tage beginnen früh in unserem Hostel. Heute morgen waren wir schon um sechs Uhr an der großen Stupa von Boudhanat ... Und haben uns vom nie endenden Strom der Pilger, der Mönche und Nonnen, der Touristen und Sadhus, der Einheimischen und Fremden in einen neuen, schönen Tag hineintragen lassen.
Es war mein zweiter in Kathmandu ... Und er klingt noch tief nach.
Lokah Samastah Sukhino Bhavantu ...
Mögen alle Wesen Glück und Harmonie erfahren
Bis morgen. Eure Maria
Comments