2007 kamen die ersten tibetischen Kinder und Jugendlichen aus dem Dolpo in unser Shelter108-Hostel. Und natürlich sind diese frühen Jahrgänge mittlerweile in ihren Berufen und Berufungen angekommen. Oder sie studieren noch und absolvieren ihre weiterführenden Ausbildungen.
Sobald ich in Kathmandu bin, spricht es sich schnell herum unter ihnen, und dann tauchen sich auch alle irgendwann im Hostel auf für ein freudiges Wiedersehen.
Einige unserer Hostel-Abgängerinnen habe ich sogar zufällig auf der Straße getroffen! Auf ihrem Weg zum Collage oder in ihre Teilzeit-Jobs.
Zwar bekommen alle Shelter108-Studenten für ihre weiterführenden Ausbildungen ein Stipendium über unseren Verein - aber etwas sollten sie auch selber für ihre Ausbildungen beitragen.
Sie sind also alle ganz schön 'busy' mit ihrem Leben. Aber dennoch konnte ich viele von ihnen treffen in diesen Tagen.
Und was sie mir alle als allererstes erzählen: Dass der Schritt aus dem behüteten Shelter108-Nest in die Selbständigkeit sehr herausfordernd für sie war oder ist.
Einige teilen sich nun auswärts ein Zimmer. Manche müssen aber auch damit klarkommen, nun während ihrer Studien- oder Ausbildungs-Zeit sogar alleine in einem Zimmer zu leben.
Und jene, die ihre Ausbildungen in diesem Jahr abgeschossen haben, sind in den Dolpo hoch gegangen, um ihr Wissen und Know-How in ihren Heimatdörfern zumindest auf Zeit einzubringen: Für ein halbes Jahr, für zwei Jahre oder für 'immer'.
Viele Mädchen unseres Hostels wollen Krankenschwester oder Lehrerin werden. Denn es braucht immer wieder neue Lehrerinnen und Krankenschwestern im Dolpo.
Doch es gibt auch ganz neue Interessen. So kann eines unserer Mädchen dank der großzügigen Hilfe ihres Paten sogar IT studieren..
‚Gute Inernet-Verbindungen werden auch in unseren Heimatdörfern gebraucht‘ erzählt mir die mittlerweile 22-jährige Pema Chozong.
Einige unserer Jungs haben sich für eine Ausbildung in der Tourismus-Branche entschieden, wie Pema Tenzin, Chime Ngodup und Dawa Dadul.
Ihr Plan ist es, das Paradies ihrer entlegen Heimat für einen sanften und ökologischen Tourismus erschließen - bevor es große Unternehmen tun, die nur Geld aus der Schönheit ihrer Heimat ziehen wollen.
‚Wann bist Du fertig mit Deiner Ausbildung?‘ frage ich Dawa Dadul, den Ältesten unserer zukünftigen Tourismus-Experten.
‚In zwei Jahren‘, antwortet Dawa.
‚Könntest Du dann auch Shelter108-Sponsoren in den Dolpo hochbringen?‘ frage ich ihn.
‚Das wäre großartig!‘ meint Dawa: ‚Für den Aufstieg würde ich Zelte, Träger und Köche organisieren. Und in Saldang würden wir Euch in den Familie der Shelter108-Studenten unterbringen. Noch gibt es ja keine Gäste-Häuser im ‚Upper Dolpo‘.
Die Idee begeistert mich: Nun sind unsere Schützlinge schon so erwachsen, dass sich ganz neue Möglichkeiten für Shelter108 e.V. auftun: ‚Vielleicht finde ich Investoren, die Euch helfen, das erste ökologische Gästehaus im Dolpo aufzubauen!‘
Ihr seht schon: Pläne werden geschmiedet …
Eine Begegnung mit einer ehemaligen Schülerin hat mich in diesen Tagen besonders berührt:
Nyima Bhuti war eines unserer ersten Mädchen im Hostel, das schon als kleines Mädchen zu uns kam. Heute ist sie 31 Jahre alt und leitet in Kathmandu ihr eigenes Dolpo-tibetisches Kinder- und Jugend-Hostel.
Eigentlich war es immer mein Traum gewesen, tibetische Medizin zu studieren’ erzählt mir Nyima Bhuti. Und da ich die besten Abschlussnoten an der Schule hatte, wurde ich direkt in Dharamsala am Institut für tibetische Medizin aufgenommen. Aber dann bat mich mein Vater, die Leitung seines Hostels zu übernehmen. Und ich konnte ihm diese Bitte nicht abschlagen.’
Nyima Bhutis Vater ist ein hoher Lama (religiöser Würdenträger) in der Dolpo-Region und hatte die wirtschaftlichen Möglichkeiten in die Hände gelegt bekommen, ein weiteres Kinder- und Jugend-Hostel in Kathmandu zu gründen. Hierfür brauchte er eine zuverlässige Leiterin: Nyima Bhut. Seine Tochter, die gerade ihre Schul-Zeit in unserem Hostel abgeschlossen hatte.
‚Anfangs war ich schon traurig, dass ich meinen Studienplatz in Dharamsala nicht antreten konnte‘, erzählt mir Nyima Bhuti: ‚Aber sehr schnell spürte ich, dass mich diese Aufgabe hier in meinem eigenen Kinderhaus sehr glücklich macht. Ich liebe mein Leben hier mit meinen 30 Kindern und Jugendlichen.’
Und tatsächlich könnte Nyima Bhutis Hostel nicht liebevoller geführt sein!
Ich bin zutiefst beeindruckt von dieser schönen, warmherzigen jungen Frau, die den Sommer über ganz alleine mit 30 Schülern und Schülerinnen und ihrer kleinen, vierjährigen Tochter Yang in diesem netten, blitzblank gepflegten Haus lebt.
‚Und was ist mit Deinem Mann?` frage ich etwas besorgt.
‚Er lebt nur die vier Wintermonate hier bei mir‘ antwortet Nyima: ‚Den Rest des Jahres ist er oben im Dolpo und arbeitet dort in der Dorfleitung.‘
‚Ist das nicht traurig, dass Ihr Euch so selten seht?‘
‚Ach was! Ich finde, das tut einer Ehe ganz gut!‘ lacht Nyima Bhuti ihr warm-herziges Lachen:
‚Man freut sich dann umso ehr auf den Winter. Und wenn ich Hilfe brauche, rufe ich Karma (unser Hostel-Vater) an. Er hat mir so sehr geholfen in den ersten Jahren! Und er ist immer für mich da, wenn ich ihn brauche.’
Nyimas Lebenshaltung inspiriert mich. Sie hatte andere Pläne für ihr Leben, aber sie hat schließlich das angenommen, was das Schicksal ihr aufgetragen hat.
UND: sie ist vollends glücklich damit.
Wer von uns kann das in einem so vollendeten Ausmaß schon sagen?
Ich zum Beispiel scheitere immer wieder daran, dass sich bestimmte Vorstellungen nicht so erfüllen, wie es mir vorgestellt hatte.
Wer aber führt denn Regie in unserem Leben?
Unsere Vorstellungen oder die Fügungen?
Unser Schicksal ist wie ein Fluss, in den wir uns am besten hinlegen, anstatt unglücklich an unerfüllten Wünschen hängen zu bleiben …
Alles ist gut, so wie es ist. Sonst wäre es nicht.
‚Außerdem‘, sage ich zu Nyma Bhuti: ‚Im Deinem und auch in unserem Hostel wachsen bestimmt weitere potentielle Hausmütter heran, die irgendwann in Deine Fuß-Stapfen treten werden. Und dann ist es bestimmt nicht zu spät, die Fäden Deiner alten Träume wieder aufzunehmen ...
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